Ein Leben ohne Fleisch — mein persönlicher Jahresrückblick.

Was mich mein Vegetarierdasein in den letzten 12 Monaten gelehrt hat und wie es jetzt weitergeht. Eine Erzählung in 6 Akten.

1 Prolog

Seit 1. Januar bin ich nun Vegetarier. Dieser Entschluss, das sei dazu gesagt, kam damals nicht aus heiterem Himmel — vielmehr hat er sich über mehrere Monate angebahnt. Ich habe deshalb meine persönlichen Beweggründe zu diesem Schritt niedergeschrieben (Warum ich 2018 kein Fleisch essse.) und war insofern relativ klar im Kopf bzw. wusste was auf mich zukommt. “Failure is not an option “— das stand für mich außer Frage.

2 Fleischkonsum — quo vadis?

Nachdem nun das Jahr 2019 vor der Tür steht, stellt sich vor allem eine Frage: was bleibt? Für mich jedenfalls, eine ganze Menge. Es war eine Entdeckungsreise zu persönlicher Resilienz, menschlicher Trägheit und dem Kern gesellschaftlicher Veränderung. Um es aber gleich zu Beginn und in aller Klarheit zu formulieren:

Ich glaube es ist an der Zeit, unser Verhältnis zu Fleisch einmal ganz grundsätzlich neu zu justieren.

Mitte November, ein Restaurant im Münchner Norden. Ich schlage die Speisekarte auf und durchforste die Hauptgerichte. Vegetarische Gerichte in Zahlen: NULL. Mit diesem Moment hat sich bei mir ein Gedanke manifestiert, der sich in den letzten Monaten zunehmend bestätigt hat: Fleisch zu essen ist in unserer Gesellschaft die Regel, nicht die Ausnahme. Und dieses Gedankengut durchzieht, unbehelligt von allen Kollateralschäden, sämtliche Spektren unserer Gesellschaft — völlig egal, ob in der VIP-Lounge der Allianz-Arena oder an den Imbissbuden der Weihnachtsmärkte.

Restaurant im Münchner Norden

Insofern toleriert unsere Gesellschaft zwar einen vegetarischen Ernährungsstil, aber sie akzeptiert ihn nicht — zumindest nicht in der breiten Masse. Für ersteres ist meine Oma, ohne es böse zu meinen, das beste Beispiel: sie legt mir, wenn ich bei ihr zum Essen bin, zwar kein Stück Fleisch auf den Teller, nur selten aber kommt sie ohne den Hinweis aus, dass der Körper (ihrer Meinung nach) schon Fleisch braucht. Gleiches gilt für jeden lapidar formulierte Kommentar am Grill, auf Dauer ist es einfach anstrengend und ermüdend. (Und nein, ich hatte und habe nach wie vor keine zwingende Lust auf Fleisch. Ein derartig kurzfristiger Genussmoment schafft es einfach nicht mehr, mich auf die Insel der Glückseligkeit zu katapultieren — und wahrscheinlich hat er es auch nie getan, ich wollte es nur nicht glauben.)

Akzeptieren hingegen würde vielmehr bedeuten, fleischlosen Gerichten nicht nur den Stellenwert einer vollständigen Mahlzeit einzuräumen, sondern auch die Anforderungen eines vegetarischen Ernährungsstils bewussst zu antizipieren. Und damit bin ich auch schon bei einem ganz wesentlichen Aspekt angelangt, nämlich dem Missverständnis oder eher der Unwissenheit darüber, was Vegetarismus in letzter Konsequenz alles bedeutet — jedenfalls meinem Verständnis nach:

Es (Vegetarismus) ist nicht nur kein Fleisch zu essen, sondern vielmehr pflanzliche Lebensmittel (im Idealfall auch möglichst natürlich) als zentralen Bestandteil der Nahrungsaufnahme zu betrachten.

Im amerikanischen gibt es für derartiges einen wunderbaren Begriff, der es, wie ich meine, sehr präzise auf den Punkt bringt: PLANT-BASED. Und ein solcher Ansatz scheint auch völlig logisch, ist doch unser evolutionsbiologisch engster Verwandete, der Gorilla (mit dem wir etwa 98% unserer Gensequenzen gemein haben), ein ausgiebiger und ausschließlicher Pflanzenfresser. Dieses gedankliche Leitmotiv hat mich im letzten Jahr durchgehend begleitet, sodass ich aber auch relativ schnell an der gesellschaftlichen Bruchlinie des Vegetarismus angelangt bin.

Denn: es ist nach wie vor völlig normal, dass wir sämtliche Mahlzeiten (auch die alltäglichen, die festlichen einmal ausgenommen) um das Fleisch, als zentralen Bestandteil des Ganzen, herum zubereiten — und nicht umgekehrt. In solchen Situationen, wie sie mir doch einige Male passiert sind, hab ich mir dann allerdings schon zunehmend die Frage gestellt, warum, sprichwörtlich gesagt, immer dem Vegetarier die Extrawurst zugeschoben wird? Denn es gibt prinzipiell keine guten Gründe dafür, warum Fleisch mehr sein sollte, als ein leckeres Add-On. Vielmehr müsste es umgekehrt sein: Fleisch zu essen sollte maximal nice-to-have, aber keinesfalls ein must-have sein. Und vermutlich ist das des Pudels Kern, denn:

Die kritiklose Selbstverständlichkeit des grenzenlosen Konsums an Fleisch (bzw. tierischen Produkten ingesamt), der uns nicht nur ethisch völlig abstumpfen lässt, sondern auch unserer Gesundheit und dem Planeten schadet, ist gesellschaftlich eine riesengroße Selbsttäuschung.

Ausgehend von dieser Basis habe ich mir also in den letzten Monaten überlegt, wie ich in der Angelegenheit am besten weiter verfahre.


3 Bewertungskriterien.

Mein gedankliches Zieldreieck war also klar: ich will mich in Zukunft gesundheitsförderlich, umweltbewusst und ethisch möglichst vertretbar ernähren. Aber der Reihe nach.

Gesundheit

Ich meine, die Faktenlage ist inzwischen relativ übersichtlich. Rotes Fleisch (Rind & Schwein) und noch vielmehr verarbeitete Fleischprodukte (Wurst, etc.) sind, insbesondere in hohem Maße, eher gesundheitsschädlich als -förderlich. Insofern sehe ich keinerlei Anlass derartiges in Zukunft wieder zu essen. Bleibt also noch zweierlei übrig: Geflügel und Fisch.

Für das Geflügel spricht grundsätzlich ein hoher Eiweißanteil bei zugleich geringem Fettanteil, kein ganz so schlechtes Argument also. Grundsätzlich muss man aber zweierlei dazu sagen.

Zum einen: dass der Mensch unbedingt tierisches Eiweiß in Form von Fleisch braucht, scheint mir keine Zwangsläufigkeit zu sein — ich fühle mich nach diesem Jahr geistig und körperlich überaus fit. Nun könnte man einwerfen, und das haben genügend Menschen in den letzten 12 Monaten gemacht, ist der Mensch erst zum Mensch geworden weil er, im Gegensatz zum Affen, angefangen hat, Fleisch zu essen — aber auch das halte ich für Unfug. Denn im Umkehrschluss müsste dann der Löwe als fleischessender König der Savanne noch viel klüger sein als wir.

Und daran anknüpfend, zum anderen: die heutige Situation ist überhaupt nicht mehr mit dem Steinzeitalter vergleichbar. Wenn wir Zugang zu anderen, pflanzlichen, Eiweisquellen haben, warum sollten wir dennoch Tiere dafür töten? Mir leuchtet das nicht ein, denn Ausweichalternativen gibt es genug: Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Haferflocken, Quinoa, Lein- & Chiasamen, Nüsse & Kerne sowie unterschiedliches Gemüse (Brokkoli, Spinat, Spargel) — mal ganz abgesehen an dieser Stelle natürlich noch von Eiern und sämtlichen Milchprodukten. Wenn man dann zusätzlich noch bedenkt, dass tierisches Protein vor allem reich an essenziellen Aminosäuren ist, welche bei erhöhtem Konsum möglicherweise altersfördernde oder sogar gesundheitsschädliche Begleiterscheinungen entwickeln können, dann sehe ich keinerlei Notwendigkeit in Zukunft wieder Geflügelfleisch zu essen.

Für den Fisch hingegen sprechen wertvolle B- & D-Vitamine in Kombination mit wichtigen Spurenelementen (Jod und Selen) und natürlich gesunde Fette, insbesondere die entzündungshemmenden Omega-3 Fettsäuren. Letztere zählen zu den sogenannenten PUFAs (polyunsaturated fatty acids), die vor allem bei der nachhaltigen Entwicklung und Funktionsfähigkeit des menschlichen Körpers, insbesondere seines Gehirns, eine entscheidende Rolle spielen. Und diese essenziellen Fettsäuren kann der Körper nicht selbst herstellen, sie müssen also durch die Nahrung aufgenommen werden. Nun muss aber dazu gesagt werden, dass eben jene Fettsäuren grundsätzlich auch durch pflanzliche Nahrungsmittel aufgenommen werden können — mit Leinsamen-, Raps- oder Sojabohnenöl beispielsweise. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auf, dass dies nicht für die langkettigen Ausprägungsarten EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) der Omega-3s gilt. Insofern könnte der Verzehr von Fisch, meinem aktuellen Kenntnisstand zufolge jedenfalls, unter gesundheitlichen Aspekten durchaus notwendigen Charakter haben — allerdings keinesfalls uneingeschränkt, wie auch die beiden nachfolgenden Aspekten zeigen.

Umweltschutz

Die industrielle Landwirtschaft hat ein vernichtendes System etabliert, das in seinem ganzen Wahnsinn kaum mehr zu durchblicken ist. Der Ressourcenverbrauch an Wasser und Futtermitteln zur Nutztierhaltung ist enorm, die daraus resultierenden Schadstoffbelastungen für Böden und Gewässer werden (auch in Deutschland!) langsam besorgniserregend. Wer dem Planeten also etwas Gutes tun will, dem bieten sich in dieser Angelegenheit genügend Handlungsmöglichkeiten — und das wäre auch insofern sinnvoll, als dass unser westlicher Lebensstil nicht unwesentlichen Vorbildcharakter für den Rest der Welt hat. Denn der wahre Bummerang steht uns noch bevor: nämlich dann, wenn auch der Rest der Weltbevölkerung anfängt im selben Ausmaß Fleisch zu essen wie wir es tun.

Beim Fisch ist die Sache noch etwas anders gelagert, aber keinesfalls besser. Der Fang auf offener See ist inzwischen derart exzessiv, dass anstatt der Anzahl nur noch die Masse der Tiere als Referenzwert zur Verfügung steht — im Jahr 2016 wurden 170 Mio. Tonnen Fisch vernichtet (vielleicht auch deshalb, um die hohen Beifangquoten zu verschleiern). Dass die Weltmeere, wenn es so weitergeht, bis Mitte des Jahrhunderts völlig ausgefischt sind, dürfte vor diesem Hintergrund keinen mehr verwundern. Und hinzu kommt: viele maritime Tierarten sind inzwischen derart mit Quecksilber und Mikroplastik belastet, dass es schon fast zum Gesundheitsrisiko wird, sie zu essen. Insofern scheidet diese Variante für mich aus.

Die daraus folgende industrielle Konseqeuenz, Fische nun einfach wie Rinder, Schweine und Hühner zu halten, ist zwar logisch, aber kein Stück besser. Vermutlich wird schon bald 80% unseres Fischkonsums aus Aquakulturen kommen— Wildlachs wird dann Zuchtlachs, gemästet in Rekordtempo auf engstem Raum in einem Gewässer voller Ausscheidungen, Chemikalien und Antibiotika. Aber auch das kann man sich wohlgetrost sparen, meine ich. Als einzig gangbare Lösung würde deshalb Fisch aus regionalen Gewässern übrig bleiben, der kein großindustrielles Turboleben durchmacht — bei uns zu Hause etwa kämen dafür vor allem Arten wie Forelle, Karpfen oder Saibling in Frage.

Ethik

“Tiere nur für den Geschmack töten zu dürfen und dabei solche ökologischen Verheerungen anrichten zu dürfen, stellt ein extrem weitreichendes moralisches Urteil dar. Im Grunde ist es moralische Imperialismus.” — so hat es Bernd Ulrich, stellvertrendender Chefredakteuer der Wochenzeitung DIE ZEIT und seit geraumer Zeit bekennender Veganer, zuletzt formuliert. Und ich meine, er hat recht. Die Karten liegen auf dem Tisch: industrielle Nutztiere führen ein Leben wie es trauriger nicht sein könnte, sie existieren nur um bald möglichst getötet zu werden und verrecken dabei zumeist noch elendig. Wenn man nun bedenkt, dass das Verbot der betäubungslosen Kastration männlicher Ferkel vor kurzem noch einmal um 2 weitere Jahre aufgeschoben wurde und Deutschlands größter Schweineschlachter, die Firma Tönnies, in ihrem Hauptwerkt täglich über 20.000 Tiere erlegt (alle 4 Sekunden ein Schwein) — dann muss man dem entgegenhalten, so wie es Theresa Bäuerlein in einem Essay auf Krautreporter geschrieben hat: Tiere sind keine Ikea-Regale. Und als wäre das nicht schon genug, verursacht dieses System nebenbei noch gravierende Umweltschäden.

Diese Ausgangslage lässt sich nicht länger ignorieren oder gar leugnen, dafür bieten digitale Medien inzwischen zu viel Transparenz und Zugang. Die Zustände, unter denen die meisten Tieren in diesem Land ums Leben kommen, sind so abschäulich und widerwärtig, dass es einem bei gesundem Menschenverstand das Herz zerreist. Insofern ist es ein völliges Unding, auf welcher Grundlage in unserer Gesellschaft der hemmungslose Konsum von tierischen Produkten nach wie vor legitimiert wird: nämlich einzig und allein mit persönlicher Wurstigkeit, um im Bild zu bleiben. Denn eines ist mir im letzten Jahr ganz besonders klar geworden:

Entschiedener Fleischverzicht ist keine Frage des Könnens, sondern einzig und allein des Willens.

Und alles, was diesem Grundsatz angeblich argumentativ entgegengehalten wird, ist zumeist irgendeine Form von Ausrede um die eigene Nachlässigkeit zu überdecken. Jeder Vegetarier ist ein lebender Beweis dafür, dass es auch ohne Fleisch geht. Nichtsdestotrotz darf und soll in einer liberalen Demokratie jeder selbst entscheiden, welches Verhalten und welche Standards er/sie für vertretbar hält.


4 Meine Entscheidung.

Der zweite Weihnachtsfeiertag im Hause Baumgärtner

Nach reiflicher Überlegung stellt sich die Lage bei mir nun wie folgt dar.

Ich werde mein vollumfängliches Vegetarierdasein ab dem kommenden Jahr etwas lockern und in sehr geringem Umfang wieder Fisch essen —aber nur solchen aus regionaler Haltung und vertrauensvoller Quelle.

Für sämtliche großbetrieblichen Angebote, beispielsweise Supermärkte oder Restaurantketten, werden ich deshalb auf unbekannte Zeit nicht als Kunde in Frage kommen. Und die Gründe für diesen Schritt sind zweierlei:

Zum einen: mein Bezug zu Fischen ist unemotionaler als zu anderen Tieren. Das ist nicht rational, dessen bin ich mir völlig bewusst — schließlich haben auch Fische Gefühle. Nichtsdestotrotz: der Fisch lebt nicht, wie wir Menschen, an Land und das maritime Ökosystem ist keine friedliche Koexistenz verschiedenen Fischarten, sondern eine ausgeklügelte Nahrungskette. Dass der Mensch deshalb an geeigneter Stelle maßvoll in dieses System eingreift, halte ich per se nicht für völlig verwerflich. Und hinzu kommt: schon vor knapp 20 Jahren habe ich hin und wieder mit meinem Opa einen Fisch aus dem Teich des Dorfbauern geschlachtet. Das war nicht immer schön anzusehen, hat aber auch keine nachhaltig negativ besetzte Eindrücke bei mir hinterlassen (im Gegensatz zum gleichen Prozedere bei Hasen). Insofern nur solche Tiere zu essen, die man auch selbst ausnehmen könnte — das halte ich für einen vertretbaren Standpunkt.

Und zum anderen: wer den Konsum tierischer Produkte konsequent durchdenkt, der wird schnell feststellen, dass Fleischverzicht alleine noch nicht sämtliche Rinder und Hühner von ihrem Leid befreit — schließlich gibt es auch noch Eier und Milchprodukte. Dass es ebenfalls als normal gilt, auch diese beiden Nahrungsmittel völlig bedenkenlos zu konsumieren, scheint mir weder logisch noch richtig. Dabei genügt es völlig, sich vor Augen zu halten, dass nach wie vor ~48 Mio. männliche Küken getötet (verschreddert/vergast) werden, weil sie keine Eier legen und sich einmal in aller Ruhe durch die großartig gemachte Fotodokumentation zur Entstehung von Kuhmilch zu klicken.

Insofern liegt für mich der Schluss nahe, meine Ernährung zukünftig und in aller Grundsätzlichkeit nach folgendem Prinzip auszurichten:

“As Vegan As Possible”

Hin und wieder regionalen und nicht-industriell verarbeiteten Fisch, so gut wie keine Milch mehr, ein Hühnerei nur wenn es wirklich sein muss und gelegentlich Joghurt (dessen Milchsäurebakterien sich wohl tatsächlich sehr positiv auf die Gesundheit auswirken, indem sie der Entstehung inneren Bauchfetts entgegenwirken — der sog. “Schlankmacher-Effekt”).

Dafür aber vollwertiges Getreide, Obst und Gemüse wo immer es geht. Plant-based also. Weil mehr Antioxidantien, mehr Ballaststoffe und mehr Vitamine sicher nicht schaden können. Weil Klimafutter, wie es die tolle Sina Trinkwalder einmal ausgedrückt hat, der Umwelt gut tut. Und weil wir es nicht nötig haben, im großen Stile auf Kosten von Tieren durchs Leben zu rauschen.

In diesem Sinne werde ich mich im nächsten Jahr auch mal an einer 30-Tage Vegan-Challenge versuchen. Einfach um zu sehen, wie mein Körper darauf reagiert. Denn dass die meisten Herausforderungen zumeist doch unkomplizierter sind, als sie im Vorfeld erscheinen — das hat mir nicht zuletzt mein diesjähriges Vorhaben gezeigt. Ein vegetarisches Jahr kann ich deshalb jedem, den dieses Thema umtreibt, vollumfänglich empfehlen. Es lohnt sich.


5 Was ich mir für die Zukunft wünsche.

Im Kern sind es vor allem 4 Dinge.

Ein gutes veganes Menü in jedem Restaurant.

Wie oft war ich in diesem Jahr beim Essen und dachte: es kann doch nicht so schwer sein. Das Angebot an vegetarischen und insbesondere an veganen Gerichten, die nicht nur ein billiger Salat oder ein Sammelsorium an Beilagen sind, ist in vielen Restaurants nach wie vor überschaubar — völlig unverständlich meiner Meinung nach, denn kein Mensch fordert Fleisch aus den Restaurants zu verbannen oder eine Veggie-Quote einzuführen. Aber angesichts von knapp 10% Vegetarier in diesem Land und ca 1. Mio Veganern, wäre es doch nur logisch, dieses Klientel nicht völlig vor den Kopf zu stoßen. Hinzu kommt: eine gesundes veganes Menü wäre nicht nur eine vernünftige Konsenslösung für sämtliche Food-Bewegungen (Vegetarier, Veganer, Low-Car, Paleo, etc.), sondern ist noch dazu hochgrad unreligiös. Es hätte fast schon integrativen Charakter und ich meine, das wäre eine gute Sache.

Ambitoniertes Engagement zulassen.

Vegetarier zu sein, ist heutzutage noch die Ausnahme, aber keineswegs mehr eine zu vernachlässigende Randerscheinung. Das Veganertum beispielsweise allerdings schon. Und geisitg würde ich mich inzwischen, wie auch oben bereits ausgeführt, der veganen Bewegung deutlich näher sehen als der Fleischfraktion — insofern habe ich etwaige Reaktionen darauf immer sehr aufmerksam verfolgt. Was mir dabei aber aufgefallen ist, scheint mir vielmehr ein weit verbreitetes Muster gesellschaftlicher Beharrungskräfte in diesem Land zu sein, das über die Fragen der Ernährung hinaus geht: überdurchschnittlich progressive Ansätze, für die es zumeist gute Gründe gibt (vor allem deshalb, weil die bestehenden Systeme sich in eine Sackgasse manövriert haben), werden teilweise kategorisch zurückgewiesen — vermutlich deshalb, weil ein solch überdurchschnittlich positives Narrativ der Zukunft in den Köpfen vieler Menschen noch gar nicht exisitiert. Das sollte sich ändern, meine ich.

Denn wäre es nicht schön, wir wir uns gesund und lecker ernähren könnten, ohne dafür jedes Jahr Millionen an Tiere abzuschlachten? Wäre es nicht schön, wenn wir uns fortbewegen könnten, ohne dafür in rauen Massen fossile Brennstoffe zu verfeuern? Und wäre es nicht schön, wenn wir es ohne Neid und Groll zulassen, dass Menschen nicht gezwungen werden müssen, einer Arbeit nachzugehen, die weder Spaß macht noch vernünftig zum Leben reicht? Ich finde schon. “The ones who are crazy enough to think that they can change the world, are the ones who do.” — so hat es Apple in seinem legendären Werbespot “Think different” von 1997 forumliert. Und diese Botschaft erscheint mir wichtiger als je zuvor, denn bei all den Missständen um uns herum bleibt uns im Prinzip nur die Flucht nach vorne.

Die Massentierhaltung streng regulieren.

Wie es in den Ställen und Schlachthäusern hierzulande oft zugeht ist erschütternd und vor allem einem derart reichen Land, wie wir es sind, nicht würdig. Die Tiere brauchen vom ersten bis zum letzten Lebenstag bessere Bedigungen, regionale Landwirtschaft & kleine Betriebe sollten wieder verstärkt im Fokus stattlicher Unterstützung stehen und auch insgesamt braucht es mehr Transparenz. Hier ist die Politik gefordert, und zwar schleunigst. (Dazu empfehle ich an dieser Stelle auch noch die letzte Folge der ZDF-Sendung: Die Anstalt).

Die Imperfektion nicht verteufeln.

Ein Leben, das immer regelkonform und wohlüberlegt ist, ist kein schönes Leben. Es braucht, zumindest meiner Meinung nach, hin und wieder die Ekstase, ein über-die-Stränge-schlagen oder auch den Bruch mit etablierten Vorsätzen. Das aber sollte die Ausnahme bleiben, insofern liegt auch darin mein neujustierter Fleischkonsum begründet. Denn ich meine schon, dass der Vegetarismus oder vielmehr noch das Vegantertum eine logischer Schritt menschlicher Bewusstseinswerdung ist — es wird freiwillig auf etwas verzichtet (für das es wohlgemerkt viele gute Gründe gibt), das aber gesellschaftlich nach wie vor völlig normiert ist. Was aber mit Abstand das nervigste bei der ganzen Angelegenheit und auch im vergangenen Jahr war, ist der immer wiederkehrende Hinweis auf mögliche Inkonsequenzen. Das Leder an den Schuhe macht dir aber nichts aus? Meinst du, es geht den Hühnern, die Eier legen besser als die, die geschlachtet werden? Und die CO2-Belastung beim Fliegen ist dir egal?

Die Welt ist nicht perfekt und wird es auf absehbare Zeit vermutlich auch nie sein. Jeden Beitrag aber, der einen gewissen Umstand zum Besseren ändern will, allein deshalb zu zerreden, weil er nicht im Handumdrehen die Welt rettet, das ist einfach maximal destruktiv. Ich würde mir vielmehr wünschen, dass wir jeden feiern, der Dinge versucht aktiv umzusetzen und uns dabei primär auf die positiven Aspekte fokussiern — völlig egal, ob jemand auf Fleisch verzichtet, eigene Hühner hält, oder ausschließlich Urlaub in Österreicht macht. Das ewige Gegeneinanderausspielen verschiedener Herangehensweisen, gerade bei Umweltaspekten, muss, lieber früh als spät, aufhören — denn ansonsten sitzen wir in 50 Jahren immer noch da und sind kein Stück weiter. Den Grantlern, den Pessimisten und Dampfplauderern in Zukunft so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken, das würde unsere Gesellschaft ohne Zweifel schlagartig ein gutes Stück nach vorne bringen.

6 Epilog.

“The stone age didn’t end, because we ran out of stones. This cruel disgusting industry will end because we run out of excuses.”

— Philip Wollen (australischer Philantrop)


P.S.: hier noch meine beiden Lieblings-Channels zum Thema: Vegains (Ferdinand Beck) & Vegan ist ungesund (Gordon & Aljosha) — sehr informativ und gut gemacht. Folgeempfehlung;-)


> Picture is taken from pixabay.com <

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