Warum ich 2018 kein Fleisch esse.

Ein neues Jahr, ein neuer Vorsatz. Wieso, weshalb und warum – das habe ich in diesem Beitrag ausführlich niedergeschrieben.

Ein Wurstbrot in der Schulpause, einen Braten am Sonntagmittag und zu besonderen Anlässen auch ein besonderes Stück Fleisch. Seitdem ich denken kann ist es in unserer Gesellschaft selbstverständlich, Tiere zu essen — immer und überall. In den letzten Jahren habe ich meinen Konsum in dieser Hinsicht allerdings etwas eingeschränkt, vor allem aufgrund einer Empfehlung der WHO, die für den wöchentlichen Fleischverzehr einen Richtwert von etwa 500g nahelegt. Eine gesunde Ernährung ist mir wichtig, deshalb habe ich versucht mich daran zu halten.

Vor diesem Hintergrund habe ich auch hin und wieder über die grundsätzlichen Auswirkungen eines erhöhten Fleischkonsums in Deutschland nachgedacht (wöchentlicher Durchschnittswert pro Kopf: über 1kg), aber nicht wirklich über die Selbstverständlichkeit, Tiere zu essen. Bis ich vor wenigen Wochen angefangen habe über das System der industriellen Landwirtschaft zu recherchieren, insbesondere das der Erzeugung tierischer Produkte — vor allem also: die Fleischindustrie.

Aber all das was ich herausgefunden habe, hat meine Vorstellungskraft überstiegen. Dieses System ist nicht nur krank, es ist von einem Irrsinn unbekannten Ausmaßes durchzogen.

Massentierhaltung, und das betrifft in etwa über 90% aller Fleischerzeugnisse, hält keine Tiere mehr — es produziert Nahrung. Damit ist schon einiges gesagt, denn der einzig bestimmende Faktor dabei ist die Effizienz. Tiere werden als Produktionsmittel angesehen, und nicht als Lebewesen.

Das bedeutet dann unter anderem folgendes:

  • Die natürliche Lebenserwartung eines Huhns wird von 20 Jahren auf ca. 40 Tage verkürzt. In dieser Zeit nimmt das Tier ca. 2kg an Gewicht zu. Die Entwicklung des Skeletts kommt dabei der Entwicklung des restlichen Körpervolumens nicht nach, wodurch einige Hühner nicht einmal mehr in der Lage sind, selbstständig zu laufen, weil sie unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen. Aber auch wenn das nicht passieren würde, wäre keine Gelegenheit für Bewegung — schließlich hat jedes Huhn nur so viel Platz, wie ein DIN-A4-Blatt Fläche. Unter natürlichen Umständen wäre so ein brachiales Wachstum niemals möglich, die meisten Tiere sind deshalb keine konventionellen Hühner mehr, sondern Hybridhühner. Hühner also, die kein Sättigungsgefühl mehr empfinden.
  • Die natürliche Lebenserwartung eines Schweins wird von 25 Jahren auf ca. 6 Monate reduziert. Bis zum Mastende steigert dieses Tier sein Gewicht auf ca. 120 kg, was einer Zunahme von über 500g pro Tag bedeutet. Für solch ein Lebewesen, das deutlich mehr Gewicht auf die Waage bringt als die meisten Menschen, sieht die EU-Norm nicht einmal einen Quadratmeter Platz vor. Ein derartiger Umgang kann für Tiere nur gesundheitsschädlich sein, insofern ist es auch wenig verwunderlich, dass Infektionskrankheiten mehr Regel als Ausnahme sind. Aber das ist kein Problem, denn die Tiere werden einfach mit Medikamenten vollgepumpt — sehr zur Freude der Pharmaindustrie, die in der Massentierhaltung 75% aller Antibiotika absetzt.

Die Tiere werden sprichwörtlich gehalten wie Sardinen in der Dose. Außer Frage steht, dass es seit Bestehen der Menschheit kein vergleichbares Maß an Tierquälerei gegeben hat. Wenn wir Fleisch essen, ignorieren wir deshalb nicht nur unseren Verstand, sondern auch unser innerstes Gefühl.

Insgesamt werden jedes Jahr etwa 65 Milliarden Tiere geschlachtet, das sind ca. 2.000 pro Sekunde.

Wie kann es uns so egal sein, dass Tiere derart brutal verarbeitet werden, wenn wir uns selbst schwer damit tun ein Tier zu töten und es anschließend zu schlachten? Weil wir es nicht sehen? Weil wir es nicht sehen wollen?

Meine Oma erzählt noch heute, dass es in ihren jungen Jahren absolut üblich war nur einmal in der Woche Fleisch zu essen — der Fleischkonsum hat sich in den letzten Jahrzehnten also offensichtlich vervielfacht. Auch, weil die Preise dafür relativ stabil auf niedrigem Niveau verblieben sind, zum Leidwesen der Tiere selbstverständlich. Aber warum funktioniert dieser Mechanismus aus Verbrauchersicht eigentlich? Warum ist uns beispielsweise beim Kauf eines Autos die Qualität offensichtlich mehr Wert, als bei dem, was wir als Nahrung zu uns nehmen? Ich habe dafür bis heute keine Erklärung gefunden.

Soweit, so schlecht. Vermutlich ist den meisten bewusst, dass die Massentierhaltung in ihrer heutigen Form unter ethischen Gesichtspunkten mindestens fragwürdig ist. Der eigentliche Hammer kommt aber noch. Denn dieses System erzeugt massive Opportunitätskosten mit zerstörerischer Kraft. Anhand der Viehzucht von Rindern ist das vermutlich am anschaulichsten zu verdeutlichen.

Eine Kuh trinkt ca. 100 Liter Wasser und frisst ca. 50 kg Futter — jeden Tag.

Eine ungeheure Masse an Nahrungsmittel. Allein der Wasserverbrauch für Rindfleisch ist enorm — die Erzeugung eines Hamburgers ist somit äquivalent zu einem Wasserverbrauch von ca. 2.500 Liter. Ein noch viel größeres Problem ist aber der Bedarf an Futtermittel, denn er übersteigt vielfach die vorhandenen Produktionskapazitäten im Umland.

75% der Futtermittel in Europa werden importiert, vorzugsweise aus Südamerika.

Die Folgen davon sind absehbar — um Platz für den Anbau von Soja und Mais zu schaffen, wird großflächig Regenwald abgeholzt, jede Sekunde etwa die Fläche eines Fußballfeldes. Aber nicht um die Welt vom Hunger zu befreien, wie man meinen könnte — sondern um es als Nahrungsmittel für Tiere in die Industrieländer zu transportieren.

Es ist verstörend, mit welcher Selbstverständlichkeit wir es zulassen, dass nach wie vor Menschen auf diesem Planeten nicht genügend zu essen haben.

Dieses System ist hochgradig ineffizient, wenn man sich einmal vorstellt, welcher massive Ressourceneinsatz notwendig ist, um ein paar Kilo Fleisch zu erzeugen. Dazu kommt aber noch, dass die Umweltbilanz global gesehen vor allem eines ist: verheerend.

Viele Wälder müssen für landwirtschaftliche Nutzfläche weichen, die darauf angebauten Monokulturen laugen den Boden aus und machen die Pflanzen anfälliger für den Angriff von Schädlingen. Als Lösung wird derzeit der Pestizideinsatz erhöht oder der Versuch unternommen, die Pflanzen genetisch zu manipulieren. Wenn man nun einmal bedenkt, dass momentan auch in den beiden größten Ländern der Welt, Indien und China, der Fleischkonsum rasant ansteigt, steht außer Frage, dass dieses Vorhaben schon in naher Zukunft zum Scheitern verurteilt ist — sowohl ökologisch, als auch sozial.

Seriösen Schätzungen zufolge emittiert die Agrarindustrie schon jetzt mehr Treibhausgase als das gesamte Transportwesen zusammen.

Und sollten sich die aktuellen Entwicklungen fortsetzten, so dürften die landwirtschaftlich-bedingten Emissionen bis zum Jahr 2050 um weitere ca. 80% ansteigen. Auch deshalb, weil die kommerzielle Viehzucht 65% aller weltweit freigesetzten Stickoxide verursacht, ein Gas das bis zu 296x schädlicher ist als CO2.

Die Krone der Ineffizienz setzt dem ganzen allerdings der kommerzielle Fischfang auf: die Beifang-Quote liegt nicht selten bei 80–90%. Umgerechnet heißt das:

Für einen Fisch auf dem Teller müssen fünf andere sterben.

Bei Garnelen beispielsweise ist es besonders gravierend— während diese Lebewesen nur 2% der Meerestiere abbilden, ist die Garnelenfischerei für 33% des weltweiten Beifangs verantwortlich. Und auch dem Thunfischfang fallen regelmäßig 145 andere Fischarten zum Opfer. Der aktuelle Trend zu künstlichen Aquakulturen würde dem Dilemma des Beifangs sicherlich Abhilfe schaffen, schlussendlich aber ist davon auszugehen, dass damit auch Fische genau das werden, was Rinder, Schweine und Hühner schon sind: ein industrielles Produktionsmittel.

Zweifelsohne ist dieses System, das momentan unsere tierische Nahrungszufuhr sicherstellt, nicht nur skrupellos gegenüber allen tierischen Lebewesen, sondern auch rücksichtslos gegenüber massiven sozialen Verwerfungen und weitreichende Umweltschäden auf diesem Planeten.

Aber es liegt in unseren Händen, diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen. Mit einer konsequenten Entscheidung können wir der Entwicklung dieser Welt von heute auf morgen eine neue Richtung geben — jeden Tag, drei mal. Vielmehr aber glaube ich noch, wir müssen dieser Welt eine neue Richtung geben. Deshalb verzichte ich im nächsten Jahr auf Fleischprodukte jeglicher Art.

P.S.: In Anbetracht dessen wird es aber auch notwendig sein andere tierische Erzeugnisse hinsichtlich ihres Entstehungsprozesses zu hinterfragen.

Vermutlich ist den wenigsten Menschen bewusst, dass Kühe nur dann Milch geben, wenn sie kurz zuvor ein Kalb geboren haben. Im Umkehrschluss heißt das nicht nur, dass wir den Kühen die Muttermilch für eigene Kälber wegnehmen, sondern auch, dass wir ein Nahrungsmittel konsumieren, dass voller natürlicher Wachstumshormone steckt. Glauben wir ernsthaft, dass Kühe kein Einfühlungsvermögen gegenüber ihren Kindern haben? Und wollen wir uns weiter einreden lassen, dass wir einen umfangreichen Milchkonsum benötigen, obwohl diesem Zusammenhang jede Logik fehlt?

Vielmehr gibt es hingegen bereits Untersuchungen, welche die alten Binsenweisheit ‘Milch macht starke Knochen’ widerlegen und darüber hinaus sogar feststellen, dass ein erhöhter Milchkonsum die Anfälligkeit einer Osteoporose-Erkrankung sogar verstärken könnte. Denn eine Frage drängt sich bei alledem unweigerlich auf: hat der Verbund aus Agrar-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie überhaupt ein (wirtschaftliches) Interesse daran, dass Menschen gesund leben und bleiben?


Quellenbezug: Tiere Essen (Buch), Tomorrow (Doku-Film), Food, Inc.(Doku-Film), Hope For All (Doku-Film), Cowspiracy (Doku-Film), What The Health (Doku-Film), World Economic Forum (weforum.org), Wikipedia (de.wikipedia.org/wiki/Milchproduktion)

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