Wie die CSU dem Ansehen Bayerns schadet.

Mich irritiert zunehmend, welch verzerrten Blick die CSU mit ihrem Auftreten von diesem Bundesland vermittelt. Warum genau, und was ein besserer Weg sein könnte, das habe ich versucht herauszuarbeiten.

Ich bin hier geboren, ich wohne momentan hier und fühle mich auch überaus wohl. Bayern ist ein prosperierendes und wirtschaftlich enorm robustes Bundesland. Die Arbeitslosigkeit ist gering, der Staatshaushalt von 2017/18 beinhaltet sogar eine Schuldentilgung i.H.v. 1 Mrd. Euro. Es gibt so gut wie keinen Grund zu klagen, in den letzten Jahren wurde offensichtlich einiges richtig gemacht – auch von Seiten der Politik und somit der CSU. Und diese Entwicklung findet durchaus auch außerhalb der Landesgrenzen Anerkennung.

Was allerdings überhaupt keine Anerkennung findet, ist das politische Gepoltere der CSU – jedenfalls meinem Empfinden nach.

Die Frage nach der Daseinsberechtigung der CSU als einzige Regionalpartei im deutschen Bundestag soll an dieser Stelle gar nicht Inhalt dieses Beitrags sein. Vielmehr aber, dass die CSU den Anschein erweckt, als wäre ihr ein alleiniger Repräsentationsanspruch der bayerischen Bevölkerung vorenthalten. Und darüber hinaus sogar noch, dass sie daraus einen allgemeinen Gestaltungsanspruch für die Bundesrepublik nach bayerischem Vorbild ableitet.

Gelegentlich geht mir das gehörig auf den Senkel. Gerade deshalb, weil viele Menschen außerhalb dieses Bundeslandes – verständlicherweise – mit Bayern nicht selten das verbinden, was die CSU nach außen repräsentiert. Und das ist beileibe nicht immer gut.

Nur eine gute Woche liegt es zurück, dass Alexander Dobrindt den verzweifelten Versuch unternommen hat, mit aggressiven Formulierungen nach einer “bürgerlich-konservativen Wende” den Landtagswahlkampf 2018 zu eröffnen. Diese stumpfsinnige Oberflächlichkeit, die dem Artikel innewohnt, hat so einige in diesem Land auf die Palme gebracht, auch mich. Und es gibt nicht wenige Menschen, die auch deshalb das Gefühl haben, der CSU ist in den anstehenden Koalitionsverhandlungen die diesjährige Landtagswahl weitaus wichtiger als ebenjene bundesdeutsche Verantwortung. Warum genau das eher destruktiv sein könnte ist nicht besonders schwierig herzuleiten, dafür genügt ein Blick auf die Idee der Pkw-Maut vor vier Jahren.

Darüber hinaus sind die vielen öffentlichen Provokationen, die von führenden Politikern dieser Partei immer wieder ausgehen, zumeist ebenso schäbig. Völlig ohne Grund, dafür aber maximal medienwirksam wurde der ungarische Ministerpräsident Victor Orban bei der Klausurtagung am letzten Wochenende hofiert – ein Politiker, dessen Sympathiewerte für die Europäische Union sich offensichtlich in Grenzen halten. Was diese Aktion hervorbringen soll, ist jedenfalls mir nicht ersichtlich, gerade weil die Europäische Idee endlich wieder mehr Schwung nach vorne braucht und keine Rolle rückwärts. Aber auch ansonsten ist die CSU, jedenfalls auf Bundesebene, in den letzten Jahren vielmehr durch verbale Krawallmacherei, als durch gute Politik aufgefallen – angefangen von der umstrittenen und nicht abgestimmten Verlängerung des Einsatzes von Glyphosat über den so behäbig vorangehenden Breitbandausbau (in der Zuständigkeit des Infrastrukturministers Alexander Dobrindt) bis hin zum fast schon kindischen Verharren auf dem Begriff der “Obergrenze” in der Flüchtlingspolitik.

Nun steht im kommenden Jahr ein Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten an, ab März wird Markus Söder übernehmen. Auf dem Parteitag im Dezember hat er deshalb eine, wie ich finde, inhaltlich solide Rede gehalten, kämpferisch und zugleich am Boden der Tatsachen. Gelegentlich war jedoch auch dabei zu erkennen, mit welch übertriebenem Selbstverständnis diese Partei das eigene Bundesland vor dem Rest der Republik sieht: “Wenn es aber einer schaffen kann, eine Antwort zu geben (auf die Digitalisierung), dann ist es der Freistaat Bayern. […] Das kann nur Bayern und sonst kein anderes Bundesland.” Derartige Aussagen sind nicht nur abgehoben und wenig respektvoll – vielmehr noch sind sie einfach völlig ohne Grund, gerade weil es doch im Moment keinerlei Anlass für bayerische Minderwertigkeitsgefühle geben sollte.

Eine ambitionierte und durchsetzungsstarke Politik, beispielsweise in der Digitalisierung, ist absolut angebracht – aber warum setzt man sich damit nicht einfach an die Spitze einer solchen Bewegung und versucht die bestmöglichen Lösungen hervorzubringen um mit dem aufgebauten Know-How dann andere Bundesländer zu unterstützen, anstatt diese schon im Vorfeld ständig hinsichtlich ihres angeblichen Unvermögens zu belehren?

All das, diese stumpfsinnige Oberflächlichkeit, diese öffentliche Provokationen und dieses übertriebene Selbstverständnis, schadet dem Ansehen Bayerns vor allem außerhalb der Landesgrenzen, und der CSU möglicherweise auch bald innerhalb.

Der Eindruck, der in den letzten Jahren dadurch entstanden ist, ist vermutlich nur mühsam wieder geradezubiegen. Und dennoch wird es Zeit genau das zu tun, denn es braucht wieder ein gesundes bayerisches Selbstbewusstsein.

Wie das aussehen könnte, lässt sich am Beispiel des FC Bayern München durchaus verdeutlichen – ein Verein der, ob er er will oder nicht, ebenso Ausdruck bayerischer Mentalität ist. Exemplarisch dafür steht aber im Moment ein Mann, der aber gerade nicht aus Bayern kommt: Jupp Heynckes. Seitdem er im letztjährigen Herbst erneut die Position des Cheftrainers übernommen hat, fliegen ihm die Anerkennung geradeso zu – sowohl innerhalb, als auch außerhalb Bayerns. Wer ihn genauer beobachtet, erkennt eine beeindruckende Persönlichkeit. Einen Menschen mit klaren Prinzipien und einem starken Fokus auf Erfolg und Leistung. Einen Menschen der die Stärken und Schwächen seiner Mannschaft authentisch einschätzt. Einen Menschen, der immer offen, ehrlich und überaus wertschätzend kommuniziert. Einen Menschen, der sich seiner Außenwahrnehmung zu jedem Zeitpunkt bewusst ist und der an sich selbst genauso hohe Ansprüche stellt wie an sein Umfeld. Und einen Menschen, über den kaum ein anderer ein schlechtes Wort verliert, weil er gerade eines ist: ein Mann mit persönlicher Integrität.

Ein solches Selbstverständnis wäre, jedenfalls meiner Meinung nach, auch der CSU als führende politische Kraft in diesem Bundesland zu empfehlen, wenn sie als Partei im 21. Jahrhundert noch eine bedeutende Rolle spielen will.

Viel zu sehr verharrt die CSU noch immer im veralteten Uli-Hoeneß-Modus, Abteilung Attacke als einzige Strategie.

Es wäre an der Zeit zu erkennen, dass ein grundlegender Wertewandel in der Gesellschaft auch bayerische Landesgrenzen überwinden kann. Und, dass es notwendig ist diese Entwicklungen aktiv zu antizipieren. Die letzte Sonntagsumfrage des Bayern-Trends sieht beispielsweise die Grünen bei aktuell 14%, ein Wert deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. Wenn man dagegen die Rhetorik aus der CSU-Parteizentrale verfolgt, so könnte man denken, die CSU kann eigentlich nur Wähler in eine Richtung verlieren – nämlich nach rechts.

Die Folgen davon sind zweifelsohne massive Einbußen an Authentizität, gerade weil die Menschen im Zweifelsfall – um beim Beispiel der AfD zu bleiben – in der Regel trotzdem das Original wählen.

Umso wichtiger wäre es, dass die Partei, die ohne Zweifel große Verdienste am aktuellen Wohlstand in diesem Bundesland hat, ihre nach wie vor herausragende Stellung im bayerischen Parteiensystem nutzt, um sich endlich wieder auf das zu konzentrieren, was wirklich notwendig wäre: eine ambitionierte Politik, gerade weil dieses Bundesland beste Voraussetzungen dafür hat. Ansatzpunkte dafür gibt es genug: Bildung, Digitalisierung, Umweltschutz, bessere demokratische Partizipationsmechanismen und der Entwurf eines Gesellschaftsmodells, dass den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.

Das würde nicht nur dem Ansehen der CSU, sondern auch dem Ansehen Bayerns mit Sicherheit nicht schaden.


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