Über die Notwendigkeit und Rahmenbedingungen einer konsequenten CO2-Bepreisung.

Die Forderungen nach mehr Ambition in der Umweltpolitik spitzen sich langsam zu. Wie aus Klimaschutz und sozialer Marktwirtschaft ein vernünftiger Schuh werden könnte, darüber habe ich mir zuletzt ein paar Gedanken gemacht.

Sucht man nach dem gesellschaftlichen Konsens einer jeden liberalen Demokratie, so genügen dafür im Prinzip vier Wörter: leben und leben lassen. Oder anders ausgedrückt: jedem steht ein Leben in Freiheit, Selbstbestimmung und Individualität zu. Denn nur dann kann technologischer Fortschritt und gesellschaftliche Prosperität immer wieder aufs Neue wachsen und gedeihen.

Völlig klar ist aber auch, dass unser gesellschaftliches Zusammenleben einen (ordnungs-) politischen Rahmen braucht, der kurz- und langfristig vernünftige Partizipationsmöglichkeiten für alle sicherstellt. Wir haben beispielsweise Verkehrsregeln, damit für ein Verhalten, das die Freiheit des Einzelnen gefährdet, im Idealfall überhaupt erst keine Intention entsteht. Jeder kann fahren wie und wohin er will – wer aber zu schnell unterwegs ist oder bei „rot“ die Ampel überquert, nimmt einen möglichen Bußgeldbescheid billigend in Kauf.

Beschäftigt man sich nun einmal in letzter Konsequenz mit den unmittelbaren Folgen der Klimakrise, so wird diesbezüglich schnell klar: wenn wir die Sache nicht schleunigst in den Griff kriegen, werden vor allem die nachfolgenden Generationen mit einem äußerst ungemütlichen Verlust an Lebensqualität klarkommen müssen. Ein derart unbeschwertes Leben wie wir es kennen, ohne Rücksicht auf den Verbrauch von Ressourcen jedweder Art (allen voran natürlich fossiler Brennstoffe), wird dann nicht mehr möglich sein.

Insofern dürfte ein wirkungsvoller Anreizmechanismus, der klimaschädliches Verhalten mit entsprechend negativen Konsequenzen verknüpft, ein legitimer, ja sogar überfälliger Schritt sein.

Denn die aktuelle Lage ist ja wie folgt: der gemittelte CO2-Ausstoß pro Kopf in Deutschland liegt bei knapp 9 Tonnen und die Umweltschäden je emittierter Tonne CO2 werden vom Umweltbundesamt auf 180 Euro 1) beziffert. Bringt man die beiden Zahlen zusammen, so entsteht zumindest ein Gefühl dafür, welch ökologische Unwucht unser aktueller Lebensstil mit sich bringt.

Und gleiches gilt fast analog auch für das Geschäftsmodell unserer Volkswirtschaft, welches nach wie vor wesentlich auf dem Prinzip der „Kostenexternalisierung“ fußt – sprich: eine finanzieller Ausgleichsaufwand für nachweisbare Umweltschäden (CO2-Ausstoß) wird bisher nur sehr selten als signifikanter Baustein in der Preisbildung berücksichtigt oder existiert teilweise überhaupt nicht. Wozu dieser Systemfehler in den letzten Jahren geführt hat, ist offensichtlich: die so dringend notwendige Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaft schreitet nicht voran. Wollen wir aber die natürlichen Lebensgrundlagen unseres Heimatplaneten erhalten, so wird sich die Innovationskraft unseres Landes vor allem auch dran messen lassen müssen, wie sehr wir in der Lage sind, gesellschaftliche Prosperität von klimaschädlichem Ressourcenverbrauch zu entkoppeln.

Wie tiefgreifend dieser vor uns liegende Transformationsprozess sein wird, lässt in aller Kürze an dieser Stelle gar nicht richtig beschreiben. Führt man sich aber nur einmal vor Augen, dass auch im Jahr 2018 noch 1/3 der DAX-Konzerne ihren CO2-Ausstoß gesteigert haben und der CO2-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland sich in den vergangenen Jahren um nicht einmal 10% verringert hat, so wird schnell klar, wie weit wir noch von einem erfolgsversprechenden Reduktionspfad entfernt sind. Es wird also höchste Zeit, dass wir Geschäftsmodellen und Verhaltensmustern, deren Wachstum zulasten unserer natürlichen Lebensgrundlagen gehen, schleunigst einen Riegel vorschieben.

Und weil wir in einem kapitalistischen System leben, das über Preisfindungen zwischen Angebot und Nachfrage funktioniert, wäre es nur logisch, wenn sich auch die Umweltpolitik mit investitionsrelevanten Maßnahmen diesen Funktionsmechanismus zu Nutzen macht.

Insofern gilt es, eine an sich völlig logische Korrelation (Emissionen verursachen Schäden und belasten damit die Volkswirtschaft) in ein ökonomisches Verursacherprinzip zu übersetzten. Natürlich – auch das sei dazu gesagt – wäre nun keinem damit geholfen, wenn von heute auf morgen eine zusätzliche Abgabe in einer Höhe fällig werden würde, die unser gesellschaftliches Zusammenleben vollständig aus dem Takt bringen würde. Ein gewisser Grundkonsum an CO2 ist aktuell schließlich unvermeidbar – jeder Mensch braucht Verpflegung und eine warmes zu Hause, viele sind darüber hinaus auf ein Auto für den Weg zur Arbeit angewiesen. Insofern wird es bei der Umsetzung einer solchen Bepreisung vor allem auf drei Aspekte ankommen: finanzielle Wirksamkeit, sozialer Ausgleich und staatliche Investitionen.

I) Finanzielle Wirksamkeit

Perspektivisch dürfte der vom UBA genannten Preis i.H.v. 180 €/t sicherlich eine relevante Zielgröße sein, richtig ist aber auch: aktuell wäre damit eine maximal destruktive Wirkung vorprogrammiert, hätten doch weder Unternehmen noch Konsumenten die Gelegenheit, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um daraus resultierende Belastungen möglichst gering zu halten. Umgekehrt aber gilt allerdings genauso: ein zu niedrig angesetzter CO2-Preis (z.B. 20 €/t) würde die gewünschte Steuerungsfunktion ad absurdum führen und nahezu wirkungsfrei bleiben. Insofern dürfte eine gegenwärtige Besteuerung im mittleren zweistelligen Bereich durchaus gerechtfertigt sein. Und entsprechend der Notwendigkeit, dass die Schadstoffausstoße schon im kommenden Jahrzehnt kräftig sinken müssen, wäre eine adäquate Anpassung nach oben in den unteren dreistelligen Bereich bis zum Jahr 2030 erforderlich. Ottmar Edenhofer 2), Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hat zuletzt bspw. folgendes Szenario ins Spiel gebracht: 50 €/t ab dem kommenden Jahr und ein Preisanstieg von 10%/Jahr – womit wir 2030 dann bei ziemlich genau 130 €/t landen würden.

Spiegel Online 3) hat die Konsequenzen einer CO2-Bepreisung vor kurzem einmal nachgestellt. Basierend auf diesen Angaben und einer Steuer i.H.v. 50 €/t, würden sich dann u.a. folgende Preisdynamiken ergeben:

  • 1 l Benzin: +0,12 EUR (2,37 kg CO2)
  • 1 kg Rindfleisch: +0,72 EUR (14,34 kg CO2)
  • iPhone X: +3,95 EUR (79 kg CO2)
  • Bahn MUC-HAM: +1,70 EUR (34 kg CO2)
  • Flug DÜS-NYC: +183 EUR (3.650 kg CO2)
  • 1 kWh Strom 4): +2,35 ct (0,47 kg CO2)

Lässt man die Zahlen einmal so stehen, dann zeigt sich relativ offensichtlich, worum es im Kern geht: nicht darum, Menschen in ihrem Konsum oder ihrer Mobilität vollends einzuschränken – sondern vielmehr darum, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Menschen/Unternehmen ermöglichen, klimarelevante Konsum- & Investitionsentscheidungen möglichst bewusst zu treffen. Stichwort: Lenkungswirkung.

II) Sozialer Ausgleich

Zentral bei der Umsetzung eines solchen Vorhabens dürfte aber auch sein, wie insbesondere einkommensschwache Haushalte berücksichtigt werden. Denn bei einem durchschnittlichen Emissionsvolumen von 9 t/Jahr und einem Preis von 50 €/t würden unmittelbare Zusatzkosten i.H.v. knapp 40 €/Monat entstehen – Tendenz steigend. Insofern braucht es zweifelsfrei kluge Ausgleichsmechanismen (bspw. sog. Klimadividenden), um die Nebenwirkungen einer solchen finanzpolitischen Neujustierung gerade zu Beginn in Grenzen zu halten. Für Geringverdiener und Familien mit Kindern sollten deshalb großzügige Entlastungsspielräume geschaffen werden, so könnte jedenfalls meiner Meinung nach sozialpolitisch ein Schuh daraus werden.

Für die gehobene Mittelschicht aber sollte sich die Sache ohne entsprechenden Adaptionswillen im Geldbeutel zumindest mittelfristig bemerkbar machen. Vor diesem Hintergrund könnte deshalb ein kluges Anreizsystem in Form von staatlichen Förderungen für klimafreundliche Investitionen der richtige Schritt sein – speziell für die Bereiche Wohnen (energetische Gebäudesanierung) oder Mobilität (Elektroautos/öffentlicher Nahverkehr) – um vor allem dort eine faktische Emissionsreduktion herbeizuführen, wo staatliche Eingriffe keine präzise Steuerung ermöglichen. Bei aller Dringlichkeit in der Sache sollte aber trotzdem nicht vergessen werden, dass die aggregierte Abgabelast auf zu versteuerndes Einkommen in Deutschland schon heute relativ hoch ist, weshalb ein klimapolitisch förderliche Ausgleichsreduktionen an geeigneten Stellen durchaus gerechtfertigt wären. (Bsp. Stromsteuer)

Schlussendlich allerdings kann man es wohl drehen und wenden wie man will, denn zur Wahrheit sollte und muss auch gehören: ein besonders CO2-intensiver Lebensstil (bspw. im Sinne von viel Fleischkonsum, dem Besitz großer Autos und regelmäßigen Flugreisen) wird in Zukunft deutlich teurer sein, als das bisher der Fall ist.

III) Staatliche Investitionen

Dekliniert man die Auswirkungen des Pariser Klimaschutzabkommens einmal in letzter Konsequenz durch, so wird schneller klar, dass wir den Kern unserer Volkswirtschaft und auch unser gesellschaftliches Zusammenleben in den nächsten 30 Jahren radikal umbauen werden müssen. Individuelles Verhalten wird dazu ebenso seinen Beitrag leisten wie technologische Innovationen – ganz ohne staatliche Unterstützung aber wird sich die Sache vermutlich dennoch nicht ausgehen.

Der Umbau unseres Energiesystems auf ausschließlich regenerative Erzeugungsträger ist bei weitem noch nicht abgeschlossen, im öffentlichen Fern- & Nahverkehr brauchen wir schleunigst attraktive und bezahlbare Alternativen. Für den Mobilitätssektor werden darüber hinaus zusätzliche Anschubfinanzierungen zur Implementierung klimaschonender Technologielösungen notwendig sein (und natürlich eine erstklassige Radinfrastruktur), fast analog dürfte das ebenso für den Wärmesektor gelten. Staatliche Einrichtungen im Besonderen sollten diesbezüglich Vorreiter sein und im Idealfall schon sehr bald klimaneutral arbeiten. Und ganz ohne zusätzliche (und klug eingesetzte) Ausgaben für Bildung, Forschung und Entwicklung wird es in jedem Fall nicht leichter, den Wirtschaftsstandort als Innovationsmotor zu erhalten. Aus gesellschaftlicher Perspektive wird es deshalb nicht unwesentlich darauf ankommen, dass von Seiten der Politik auf möglichst effiziente Weise vernünftige Leitplanken geschaffen werden, die klimafreundliche Lösungen fördern und auch entsprechend honorieren.

Daneben allerdings gibt es noch einen zusätzlichen Aspekt, den man besonders vor dem Hintergrund einer wirksamen Emissionsbepreisung auf keinen Fall aus den Augen verlieren sollte: einen zügigen Subventionsabbau für fossile Brennstoffe. Denn nach wie vor werden klimaintensive Wirtschaftsbereiche durch staatliche Unterstützung finanziell teilweise signifikant bessergestellt. Das Umweltbundesamt hat diesbezüglich vor kurzem interessante Zahlen veröffentlicht, denen zufolge sich umweltschädliche Subventionen im Jahr 2012 auf insgesamt 57 Milliarden EUR summiert haben – oder anders ausgedrückt: knapp 700 EUR pro Kopf. Den Löwenanteil dabei machen verkehrspolitische (ca. 50,2%) und energiepolitische (ca. 35,6%) Maßnahmen aus, der Rest geht an die Land- & Forstwirtschaft (10,2%) sowie das Bau- und Wohnungswesen (4,0%).4)

Nun dürfte es zumindest für manche Aspekte nachvollziehbare Gründe wirtschaftspolitischer Art geben, nichtsdestotrotz aber wird es unausweichlich sein, derartige Markteingriffe zugunsten der fossilen Brennstoffindustrie auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Denn ansonsten wird der Grundidee einer progressiven CO2-Bepreisung schon im Grundsatz der Wind aus den Segeln genommen. Bestes Beispiel: die Begünstigungen des Flugverkehrs i.H.v. 11,8 Mrd. EUR (jährlich).

Von überragender Bedeutung wird deshalb sein, dass die Verursachung sämtlicher CO2-Emissionen – egal welcher Ursprungsart – schnellstmöglich und konsequent ein einheitliches Preisschild bekommen.

Summa Summarum dürfte deshalb an einer ambitionierten und politisch unterstützen CO2-Bepreisung kein Weg vorbeiführen, um eine volkswirtschaftliche Lenkungswirkung auf allen notwendigen Ebenen zu erzielen, damit Deutschland den Reduktionspfad des Pariser Klimaschutzabkommens verbindlichen einhalten kann. Insofern sollte, so jedenfalls meine Hoffnung, ein derartiges Modell auch integraler Bestandteil eines ganzheitlichen Klimaschutzpakets sein, so wie es die Bundesregierung am kommenden Freitag verabschieden will – ob dem auch so ein wird, dürften die kommenden Tage zeigen. Ich jedenfalls meine, die Zeit wäre reif dafür, dass Deutschland (als eine der leistungsstärksten Industrienationen der Welt) sich endlich wieder als klimapolitischer Vorreiter positioniert.


Quellen:

1) https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/hohe-kosten-durch-unterlassenen-umweltschutz

2) https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/klimasteuer-der-co2-preis-soll-nicht-die-staatskasse-fuellen-a-1276939.html

3) https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/fridays-for-future-das-bedeuten-die-forderungen-fuer-die-verbraucher-a-1261933.html

4) https://www.umweltbundesamt.de/themen/co2-emissionen-pro-kilowattstunde-strom-sinken


>> Coverphoto is taken from pexels.com <<

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