Hat Deutschland ein Rassismus Problem?

Die Debatte um die ehemalige deutsche Nummer 10 nimmt immer groteskere Züge an. Ich habe versucht, einige Aspekte der vergangenen Wochen einmal grundsätzlich einzuordnen.

Als Folge von Mesut Özils Rücktritt hat sich auf Twitter unter dem Hashtag #metwo eine Bewegung formiert, bei der Menschen mit Migrationshintergrund schonungslos offenbaren, welche ein unerträgliches Maß an Unverständnis und teilweise auch Rassismus ihnen in diesem Land bereits begegnet ist. Diese Transparenz und derartig unmissverständlichen Äußerungen sind in vielerlei Hinsicht begrüßenswert und wichtig – etwas stutzig allerdings haben mich zuletzt einige Berichterstattungen gemacht, die als Folge dessen sich mit der Frage beschäftigen, ob Deutschland ein handfestes Rassismus Problem habe.

Und zugegebenermaßen: ich fühle mich bei der Debatte etwas unwohl. Deutschland hat seit 2015 über eine Million Menschen aus tendenziell eher kulturunähnlichen Regionen bei sich beheimatet – und abgesehen von einigen politischen Verwerfungen hätte sich die Sache bei weitem schlechter entwickeln können, also es nun geschehen ist. Deutschland, und damit sind insbesondere ein Großteil der Zivilgesellschaft und viele Kommunen gemeint, hat vor diesem Hintergrund vernünftige Arbeit geleistet.

Nichtsdestotrotz gibt es immer noch eine nicht unwesentliche Zahl an Menschen, die scheinbar ein grundsätzliches Problem mit Integration und kultureller Vielfalt haben.

Die daraus entstehenden Entgleisungen, vor allem kommunikativer Art, gilt es in aller Deutlichkeit zu verurteilen und zu widerlegen. Es gibt auch im Hinblick auf Toleranz und Respekt ein gesundes Maß, das keinesfalls unterschritten werden darf.

Wie skrupellos dabei der ein oder andere Mensch vorgeht, wird nicht zuletzt anhand der Gegenreaktionen einiger Trolle auf Twitter offensichtlich – allerdings gilt es hier die Rahmenbedingungen zu betrachten: die wenigsten Menschen sind überhaupt auf Twitter aktiv (<2,5%) und noch weniger davon in einer Altersgruppe, die eine gesellschaftliche Mehrheit in Deutschland abbildet. Insofern erscheint mir dieser Einwand als nicht besonders konstruktiv.

Wenn nun aber diese Minderheit als Gradmesser für eine gesellschaftliche Grundstimmung herangezogen wird, erscheint es mir nur logisch, dass empfindliche Gegenreaktionen entstehen.

Denn dadurch fühlen sich Menschen unfreiwillig in eine Diskussion hineingezogen (so auch ich), die mit unpräzisen Pauschalisierungen völlig unnötige Irritationen erzeugt. Nicht jeder politisch Konservative (wozu ich mich eher nicht zählen würde), ist sogleich fremdenfeindlich oder eine Integrationsbremse.

Die mit Abstand überwiegende Mehrheit an Menschen, so jedenfalls mein Empfinden nach 25 Jahren, hat prinzipiell nichts gegen andere/unterschiedliche Menschen – aber weil jeder Mensch anders ist, hat auch jeder Mensch in dieser Angelegenheit eine andere Herangehensweise. Vielleicht ist es auch genau diese Differenzierung, die eine solche Debatte für den ein oder anderen eher suspekt wirken lässt

Bevor ich meinen ersten Arbeitsvertrag unterschrieben habe, war ich schon in mehr Ländern zu Gast als meine Eltern und Großeltern zusammen. Ich empfinde dafür große Dankbarkeit – zugleich aber gilt es natürlich zu berücksichtigen, dass mein Maß an Weltoffenheit auch ein unmittelbares Ergebnis meiner Erfahrungen ist. Und auch ich haben die Klugheit nicht mit dem Löffel gegessen, die Wahrheit liegt vermutlich wie so oft in der Mitte. Mein Opa hat mir noch Witze erzählt, die ich nach heutigen Maßstäben keinesfalls mehr als zeitgemäß einstufen würde – dennoch aber war er aber einer der respektvollsten und zuvorkommendsten Menschen, die ich kennengelernt haben.

„Die Lust an der moralischen Selbsterhöhung ist in Deutschland mindestens so gross wie die zur Selbstanklage.“

– so hat es die NZZ zuletzt formuliert. Und ich glaube, es trifft die Sache ganz gut. Es gibt mit Sicherheit noch Rassisten, denen ohne Umschweife die Stirn geboten werden muss. Und Deutschland könnte in vielerlei Hinsicht noch empathischer werden – aber dass Deutschland ein grundlegendes Rassismus Problem hat, scheint mir an der Lebensrealität einer Mehrheit von Menschen in diesem Land vorbeizugehen, die Tag für Tag einfach ihren Job erledigen und deren einziges Ziel ist so gut wie möglich für Ihre Familie sorgen zu wollen.


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