Die Mobilität der Zukunft wird fundamental anders aussehen, als wir Sie heute kennen – an dieser These gibt es vermutlich nicht mehr allzu viele Zweifel. Für die Unternehmen in dieser Branche bedeutet diese Veränderung eine massive Kraftanstrengung, um diesen Wandel nachhaltig zu antizipieren. Welche Herausforderungen dadurch insbesondere für die Automobilindustrie entstehen, lässt sich inzwischen schon überaus präzise beschreiben:
Autos werden elektrisch, selbstfahrend und on-demand verfügbar sein.
Das alles ist so ziemlich das maximale Gegenteil zur aktuellen Situation, aber der Reihen nach. Der Trend hin zur Elektromobiltät ist inzwischen schon relativ deutlich absehbar, die Gründe dafür sind aber überaus vielfältig. Grundsätzlich macht es natürlich Sinn, eine Alternative zum Verbrennungsmotor zu suchen, denn weder ist der gesamte Wirkungsgrad besonders gut noch kann und soll das grenzenlose Verbrennen natürlich Rohstoffe ein Modell für die Zukunft sein. Vor diesem Hintergrund ist ein Elektroauto sicherlich ein vielversprechender Ansatzpunkt, wenn auch außer Frage steht, dass ein solches, bei aktuellem Strommix in Deutschland, über den gesamten Lebenszyklus keine signifikant bessere Umweltbilanz aufweisen kann – allerdings, glaube ich, spielt das, so schade es auch ist, keine entscheidende Rolle. Zum einen, weil den meisten Kunden dieser Aspekt völlig egal ist (deshalb wird es vermutlich nie ein Tempolimit auf deutschen Straßen geben). Und zum anderen, weil es schlichtweg keinen Sinn macht mit der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen erst zu warten bis die Rahmenbedingungen dafür perfekt sind – hätte Steve Jobs mit der Einführung des iPhones gewartet bis die ersten hunderttausend Apps dafür programmiert worden sind, dann wäre Nokia wahrscheinlich immer noch Marktführer in diesem Segment.
Dagegen spielen aus Kundenperspektive zwei andere Dinge eine viel wesentlichere Rolle. Natürlich der Fahrspaß; jeder der bereits ein Elektroauto gefahren ist wird in dieser Hinsicht die Chancenlosigkeit des Verbrennungsmotors nicht in Frage stellen. Aber auch die Erwerbs- und Instandhaltungskosten; wenn man sich dabei sowohl den Preisverfall von Batterien als auch die deutlich unkompliziertere Bauart des Elektromotors vor Augen hält, dann dürfte auch dabei die Entscheidung mittelfristig nicht unbedingt zu Gunsten des Verbrennungsmotors ausfallen.
Neben alledem kommen in dieser Angelegenheit auch noch massive volkswirtschaftliche Interesse dazu. Der technologische Vorsprung westlicher OEMs im Hinblick auf etablierte Antriebstechnologien dürfte auf absehbare Zeit nicht einholbar sein. Umso geschickter scheint der Schachzug Chinas, natürlich auch bedingt durch die massiven Umweltbelastungen in den Innenstädten, einfach einen neuen technologischen Ansatz zu fordern und zu fördern. Für deutsche Automobilhersteller ist dieser Markt inzwischen zu groß und zu bedeutungsvoll, als dass man derartige Richtungswechsel mit einem Schulterzucken ignorieren könnte. Die Zukunft der Elektromobilität wird vermutlich nicht in Deutschland oder Europa entschieden, sondern vielmehr in Fernost.
Darüber hinaus verändert die Elektromobilität aber auch die Wertschöpfungsarchitektur in der Automobilindustrie – bisherige Kernkompetenzen, wie die Motorenkonstruktion, erfahren einen schleichenden Bedeutungsverlust wohingegen neu Schlüsseltechnologien, wie die Batteriezellenfertigung, tendenziell immer wichtiger werden. Wertschöpfung kann aber auch etwas ungreifbarer sein, Markenbildung beispielsweise. Und dabei hat Tesla vielen OEMs inzwischen ein ordentliches Schnippchen geschlagen, dass sich allerdings in der schlussendlichen Auswirkung noch gar nicht richtig beziffern lässt. Denn völlig egal ob Vorsprung durch Technik oder Freude am Fahren, diese Slogans haben in den letzten Jahren an Authentizität eingebüßt.
Es wird deshalb spannend zu beobachten sein, ob sich auch bei Elektroautos mit einem, jedenfalls Stand jetzt, angeknacksten Premium-Charakter ähnliche Marktanteile und Margengewinne wie bisher erzielen lassen.
Die beiden andere Aspekte der Mobilität der Zukunft, autonomes Fahren und mobility-as-a-service, können in Prinzip nicht voneinander getrennt betrachtet werden – vielmehr bedingen sie sich gegenseitig. Grundsätzlich gilt: Platz für Innovation ist vor allem immer dort, wo hohe Ineffizienzen vorherrschen. Betrachtet man den Auslastungsgrad eines Autos, so fällt schnell auf, dass es zumeist eigentlich nur rumsteht. In der Regel vermutlich sogar mehr als 90% der Zeit. Insofern wird schnell klar, dass man Autofahren auch deutlich billiger betreiben könnte, wenn man die Auslastung der Fahrzeuge erhöhen würde. Erste praktikable Ansätze in dieser Richtung existieren bereits durch Ridsharing-Services wie Uber oder Grab. Autofahren, speziell in Städten, wird dadurch nicht nur unkomplizierter, sondern auch deutlich günstiger. Der nächste Schritt eines solchen Mobilitätsmodells mit sich autonom bewegenden Fahrzeugen ist deshalb durchaus absehbar. Glaubt man den Prognosen verschiedener Unternehmen, die an solchen Technologien arbeiten, dürfte eine Marktreife Anfang des kommenden Jahrzehnts realisierbar sein. Die Krux dabei, vor allem aus Perspektive etablierter Hersteller, ist, dass sich mit selbstfahrenden Autos sowohl Produkt als auch Geschäftsmodell schlagartig ändern – ein Umstand also, der durchaus disruptiven Charakter entfalten könnte.
Insofern ist die Gefahr, diese, zu Beginn wahrscheinlich auch sehr wenig lukrativen, Entwicklungen zu verpassen nicht ganz unwesentlich.
Die größte Herausforderung glaube ich aber ist dabei nicht einmal primär technischer Natur, sondern vielmehr kultureller Natur für etablierte OEMs. Man braucht kein Rechenmeister zu sein, um zwei Dinge festzustellen: Zum einen, dass mit dem Schritt in die Elektromobilität vermutlich neue Wettbewerber um bestehende Marktanteile konkurrieren werden – was für deutsche Automobilhersteller vor allem im Wachstumsmarkt Asien ein Risiko darstellen könnte. Und zum anderen, dass sich mit einem mobility-as-a-service Konzept, basierend auf selbstfahrenden Fahrzeugen, die Anzahl der Autos massiv reduzieren wird.
Das Dilemma dabei ist ganz klassischer Natur: If I had asked people what they wanted, they would have said faster horses. – so hat es Henry Ford einmal gesagt. Oder anders ausgedrückt: nahezu alle dieser technologischen Fortschritte sind zu Beginn kleine Märkte mit geringen Margen und insofern für große Konzerne auf den ersten Blick eher unattraktiv. Die Neigung, sich deshalb auf bestehende Kundensegmente mit vielversprechenden Profitaussichten zu fokussieren, ist zuerst einmal nachvollziehbar. Und auch richtig, sofern eine Organisation dabei nicht die Fähigkeit verliert zu unterscheiden, welche Dinge für die meisten Kunden wirklich wichtig und welche nur scheinbar wichtig sind. Die nachfolgende Grafik, The Disruptive Innovation Model nach Clayton Christensen, verdeutlicht diesen Sachverhalt ganz wunderbar.

Indem man neue Wettbewerber nicht versucht kleinzureden, sondern wirklich ernst nimmt. Indem man neue Herausforderungen konsequent antizipiert um daraus eine klare strategische Ausrichtung formuliert. Und indem man diese Veränderungen nicht mit uninspirierten Lösungen angeht, sondern mit massive action, wie es im amerikanischen immer so schön heißt. Denn allein der Aussicht auf Erfolg von neuartigen Produkten und Dienstleistungen macht noch keine Innovation – sondern erst die marktseitige Bestätigung einer solchen Hypothese.
Für etablierte Automobilhersteller, und insbesondere für deutsche mit ihren traditionell eher vertikalen Wertschöpfungsstrukturen, dürfte es folglich von überragender Bedeutung sein, sich vor allem selbst nicht im Weg zu stehen.
All das bedeutet natürlich an manchen Stellen den Ressourceneinsatz zu erhöhen, aber noch viel mehr die Prozesse und auch die Werte innerhalb eines Unternehmens zu verändern. Prozesse, zum einen, im Sinne des Schaffens von Freiheitsgraden und anpassungsfähigen Strukturen, um jedem Menschen innerhalb der Organisation die Möglichkeit zu geben, an diesen Veränderungen aktiv mitzuwirken – deshalb: weg mit unnötigen Hierarchien, weg mit bürokratischem Kladderadatsch, weg mit allen Arten von demotivierenden Produktivitätskillern. Zum anderen Werte im Sinne von greifbaren Leitplanken zur unternehmerischen Entscheidungsfindung – deshalb: ideologische Scheuklappen ausmerzen, neue Herangehensweisen konsequent unterstützen und vor allem keine halben Sachen machen.
Das wird notwendig sein, um eine Dynamik entstehen zu lassen, die es braucht um diese fundamentalen Herausforderungen erfolgreich und nachhaltig zu antizipieren. Ansonsten könnte sich das Schicksal der Geschichte tatsächlich wiederholen – von den etablierten Kutschenbauern zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat fast keiner den Sprung ins Zeitalter des Automobils geschafft.
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