Das Problem hinter den “Fake-News”.

Woher kommt das Gefühl, sich ständig im Informationsnebel zu befinden? Drei Denkfallen, die im Zeitalter der “alternativen Fakten” auf uns warten.

Spätestens seit der Präsidentschaft von Donald Trump ist der Begriff allgegenwärtig. Aber auch in Deutschland ebbt die Diskussion um alternative Fakten nicht ab, vor allem bedingt durch die teilweise äußerst fragwürdigen Äußerungen einiger AfD-Mitglieder. Zumeist aber sind es nicht einfach Unwahrheiten, die verbreitet werden – sondern vielmehr provokante Aussagen, die nicht mit einem Satz direkt zu widerlegen sind. Diese Kommunikationsstrategien sind extrem geschickt, aber gesellschaftlich extrem gefährlich. Und sie legen drei eklatante Herausforderungen unserer Gesellschaft offen, an denen wir offensichtlich dringend arbeiten müssen – vor allem im Kopf.

1) Monokausale Zusammenhänge gibt es kaum noch.

Wir sind es gewohnt klare Abhängigkeiten zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen. Beispielsweise: Wenn es regnet, wird der Boden nass. Für viele Vorkommnisse, vor allem physikalischer Natur, mag das richtig sein. In vielen anderen Fällen wird es aber schon schwieriger. Zum Beispiel: Wenn sich das BIP positiv entwickelt, verbessert sich unser Lebensstandard. Hier möchte womöglich schon manch einer widersprechen und man stellt unweigerlich fest, dass Ursache und Wirkung nicht immer offensichtlich und eindeutig zusammenhängen.

Die jüngere Geschichte wirft vor diesem Hintergrund immer häufiger derartige Fragen auf. Was waren die Auslöser der Finanzkrise 2008? Warum haben sich 2015 so viele Flüchtlingsbewegungen in Gang gesetzt? Und welche Folgen wird die Digitalisierung für viele Unternehmen und Arbeitsplätze haben?

Wir werden uns deshalb daran gewöhnen müssen, dass es für Ereignisse unterschiedlichster Art immer öfter mehrere Ursachen geben wird – die noch dazu nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. 

Insofern wird es nichts bringen, populistische Äußerungen einfach als “Fake News” darzustellen und mit einer Gegenaussage zu widerlegen – vielmehr brauchen wir einen gesellschaftlichen Diskurs, der entsprechende Themen ganzheitlich abbildet um diese einfachen Denkmuster zu durchbrechen. Und damit können wir nicht früh genug anfangen.

Joe Kaeser, der CEO von Siemens, hat vor wenigen Monaten in einem Interview folgenden bemerkenswert deutlichen Satz formuliert: “Ich traf auf einen Menschen, der gelernt hat, nach einem bestimmten Schema zu arbeiten und vornehmlich einer monokausalen Deal-Logik folgt.” Es war ein Satz über seine Begegnung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

2) Korrelation ist nicht gleich Kausalität.

Unmittelbar anschließend an den ersten Punkt ergibt sich diese Unterscheidung. Eine Korrelation ist nicht unschwer zu erkennen. Beispielsweise: Seitdem ich mehr Sport treibe, bin ich weniger müde.Soweit so gut. Problematisch wird es aber, wenn dieser Wechselbeziehung (Korrelation) ohne zusätzliche Angaben ein ursächlicher Zusammenhang (Kausalität) unterstellt wird. Zum Beispiel: Weil ich viel Sport treibe, bin ich weniger müde. Auch das wäre dann, wie man heute sagt, postfaktisch. Denn das Ergebnis (nachlassende Müdigkeit) könnte auch noch ganz andere Gründe haben – eine bessere Ernährung, eine neue Matratze oder weniger Stress auf der Arbeit etwa.

Und besonders bedingt durch die schiere Masse an Informationen, die ein jeder Mensch heute tagtäglich verarbeiten muss, verlieren wir oft die notwendige Geduld um diese Widersprüche konsequent zu hinterfragen.

Für kleine Themen an sich mag das noch irrelevant sein – wenn wir aber diese Unterscheidung auch bei den großen gesellschaftspolitischen Fragen nicht mehr vornehmen, dann drehen wir uns im Kreis. Aktuelle Fallbeispiele gibt es genügend, allen voran in der Flüchtlingspolitik.

Sind die knapp 1 Mio. neuen Menschen wirklich der GRUND für die Wut vieler Menschen – oder sind sich seitdem einfach viele ihrer eigenen, wie auch der staatlichen Missstände noch stärker bewusstgeworden? Und würde sich wirklich alles auf einen Schlag zum Guten wenden, wenn ab morgen (rein hypothetisch) keine Flüchtlinge mehr in diesem Land wären?

3) Nicht mehr Fakten allein sind entscheidend, sondern deren Einordnung.

Vermutlich war es schon immer so, und dennoch wirkt es aktueller als je zuvor. Das hat viele Gründe, allen voran die Tatsache, dass viele Menschen das Ausmaß der staatspolitischen Probleme gar nicht mehr ernsthaft überblicken können. Zugegeben, das geht auch mir so – und mit großer Wahrscheinlichkeit auch vielen Politikern und Wirtschaftsvertretern. Die Folgen davon sind absehbar, viele Entscheidungsprozesse werden einfach auf die Gefühlsebene ausgelagert. Besonders während des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA war das offensichtlich. Denn egal wie skurril die angeblichen Fakten waren, die Donald Trump verkündete – es reichte für einen klaren Sieg über seine Herausforderin. Und es half auch nicht, diese Aussagen immer und immer wieder zurechtzurücken. Damit aber sollte uns eines klar sein:

Fakten sind nur dann aussagekräftig, wenn sie mit den empfundenen Gefühlen übereinstimmen. 

Eine niedrige Arbeitslosenzahl beispielsweise wird für Menschen aus dem Niedriglohnsektor noch lange kein Argument für eine stabile Beschäftigungsgrundlage sein. Und ebenso werden sich viele Eltern nicht alleine mit einem erhöhten Investitionsvolumen in den Bildungsbereich zufriedengeben, wenn sie feststellen, dass es in den Schulen ihrer Kinder an nahezu allem fehlt, was für ein zeitgemäßes Lernen notwendig wäre.

Es kommt also auf die Interpretation an. Fake News, wenn man so will, müssen nicht unbedingt gänzlich unwahr sein um dennoch falsch verstanden zu werden – weil wichtige Zusammenhänge unerwähnt bleiben, oder auch weil Annahmen stark vereinfacht und Informationen verzerrt dargestellt werden. Vermutlich ist genau das so verstörend daran.

Wir müssen also unweigerlich an unserem Kommunikationsverhalten und an unseren Denkmuster arbeiten, damit politische Diskurse zukünftig nicht in völliger Destruktivität enden.

Das wird eine gewaltige Herausforderung , denn wir können uns immer weniger auf vorgefertigte Informationshäppchen verlassen. Aber es wird auch spannend, denn wir werden sozusagen gezwungen selbst wieder mehr nachzudenken – und genau das kann der Mensch, wenn er denn will, doch eigentlich besonders gut.


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