Immer weniger junge Menschen gehen für ihre politischen Anliegen auf die Straße um zu demonstrieren. Immer weniger junge Menschen engagieren sich in politischen Parteien. Und immer weniger junge Menschen verfolgen politische Debatten im Fernsehen.
So wird es oft gesagt. Inhaltlich will ich diesen Aussagen aber auch gar nicht widersprechen, sehr wohl aber der vielfachen Schlussfolgerung, dass aus diesen Gründen junge Menschen heutzutage unpolitisch sind.
Zuerst einmal sind meiner Ansicht nach die obigen Feststellungen nicht besonders aussagekräftig. Politischen Demonstrationen an sich liegt die Idee zu Grunde, dass Menschen gemeinsam für eine Sache einstehen können. Um dramatische Fehlentwicklungen in einem Land abzuwenden ist das sicherlich nach wie vor ein überaus sinnvolles Mittel. Für alles andere steht inzwischen mit dem Internet allerdings ein Medium bereit, dass es Menschen genauso ermöglicht für gemeinsame Sachen einzustehen – und das bequemer und nicht weniger effektiv.
Völlig egal, ob es darum geht, eklatante Missstände aufzudecken – wie beispielsweise die fürchterlichen sexuellen Belästigungen von Hollywood-Größen wie Harvey Weinstein und Kevin Spacey. Oder, ob es darum geht die Idee eines neuen sozialen Konzeptes in die Gesellschaft zu tragen – wie beispielsweise die aktuell vielfach geführte Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen zeigt.
Die sozialen Netzwerke erhöhen den Handlungsdruck auf gesellschaftliche Eliten und Politiker in einem Tempo, wie es bisher noch nicht da war. Und unbestritten ist, dass Social-Media vor allem und besonders intensiv von jüngeren Menschen genutzt wird.
Für das rückläufige Engagement in politischen Parteien gilt es in ähnlicher Art und Weise. In früheren Zeiten war es am einfachsten sich politisch zu positionieren, in dem man einer Partei angehörte. Das Internet hat nun zu zweierlei geführt. Zum einen kann heutzutage jeder publizieren bzw. sich politisch positionieren – und das auch noch einem großen Publikum zugänglich zu machen. Zum anderen lässt das wiederum etablierte Parteiapparate unattraktiv erscheinen – zu wenige Partizipationsmöglichkeiten gibt es in den vielfach zu starr strukturierten Organisationen, in denen sich die Dauer der Parteizugehörigkeit nicht selten als wichtigste Kompetenz erweist.
Und warum die Einschaltquoten für TV-Debatten ständig sinken ist ebenso wenig verwunderlich. Einmal davon abgesehen, welche Möglichkeiten das Internet inzwischen bietet um sich zu informieren – das Auftreten vieler Politiker in verschiedenen Diskussionsrunde ermüdet oftmals mehr als dass es Erkenntnisgewinne bringt. Die ewige Phrasendrescherei mit den immer selben Argumenten, das unprofessionelle sich-ins-Wort-fallen und der weit verbreitete Mangel an überdurchschnittlichen rhetorischen Fähigkeiten – es gibt wenig Gründe, die dafür sprechen sich diese Formate regelmäßig und in voller Länge anzusehen.
Was lässt sich also feststellen? Junge Menschen „engagieren“ sich politisch nicht mehr nach altbekannten Vorstellungen – ein grundsätzlich nachvollziehbarer Schritt. Doch dabei bleibt es nicht, vielmehr fangen viele junge Menschen aber einfach an ihre Wertevorstellungen selbst in die Welt zu tragen – als Zeichen ihres Willens, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
Beim Thema Ernährung und Fitness wird das sehr gut sichtbar. Es ist gar nicht mehr zu überblicken, wie viele Menschen sich diesem Thema inzwischen angenommen haben – vor allem in den sozialen Netzwerken und ganz egal, ob als professioneller Influencer oder als privates Hobby. All diese Aktivitäten erzeugen in diesem Umfeld viel Dynamik und führen nicht nur dazu, dass immer mehr Menschen eine gesunde Ernährung sowie körperliche Fitness zunehmend wichtiger wird, sondern auch, dass viele Menschen ihr Konsumverhalten ändern. Eine fantastische Entwicklung, die der Lebensmittelindustrie hoffentlich auch in den nächsten Jahren noch weiter Beine machen wird.
Darüber hinaus zeichnet sich ein rasanter Wandel in der Arbeitswelt ab und auch hier ist die junge Generation ein entscheidender Treiber. In erster Linie deshalb, weil junge Menschen grundsätzlich mit Technologien aufwachsen, die wenige Jahre später eine Gesellschaft prägen – kaum einer kann (und will) sich deshalb noch vorstellen, wie es vorher war. Jüngere Menschen können in der Folge viel besser mit neuen Technologien umgehen als Ältere – zu schnell ist inzwischen der Fortschritt. Und vor allem durch die Anwendung neuer Kommunikations- und Kollaborationstools entsteht vielfach die Frage, wie man Arbeit damit zeitgemäß organisiert. Wie halten wir es mit hierarchischen Strukturen? Ist es notwendig die Arbeit ausschließlich im Büro zu erledigen? Und was ist eigentlich echte Produktivität?
Diese Fragen werden jungen Menschen zunehmend wichtiger und dementsprechend handeln sie auch bei der Jobauswahl – mit der Folge, dass viele Unternehmen mit alten Denkmustern in Bedrängnis kommen.
Selbstbestimmtes Arbeiten ist also auf dem Vormarsch – auch gerade, weil viele junge Menschen vor diesem Hintergrund konsequent auf Veränderungen drängen. Und das ist umso erfreulicher, denn derartige Entwicklungen können von keiner Regierung verordnet werden.
Daneben gibt es aber auch noch eine ganz andere Triebkraft. Die Reiseaktivität vieler junger Menschen nimmt rasant zu und in vielen Fällen wird das Erlebnis fremder Kulturen überwiegend als positive Erfahrung wahrgenommen. Man stellt fest, dass in jedes Land anders funktioniert – in mancher Hinsicht besser, in mancher schlechter – aber jede Kultur hat auch seine ganz speziellen positiven Eigenschaften. Das hat zur Folge, dass Anderssein immer weniger als grundsätzlich schlecht gesehen wird – und das auch im Hinblick auf das eigene Verhalten. Immer mehr junge Menschen emanzipieren sich von traditionellen gesellschaftlichen Erwartungen eines geradlinigen Lebens und machen ihr eigenes Ding – sowohl persönlich als auch beruflich. Diese “Intoleranz gegenüber Intoleranz” ist eine beeindruckende Entwicklung, die unsere Gesellschaft noch lange prägen wird – umso wichtiger wird es aber sein diese Errungenschaften auch in Zukunft mit aller Kraft gegen angebliche Alternativen zu verteidigen, die mit ihrem Weltbild im letzten Jahrhundert stecken geblieben sind.
Viele junge Menschen reden also nicht nur über eine bessere Welt oder kritisieren offensichtliche Missstände – sie fangen einfach an ihre Vorstellungen und Ideale in die Tat umzusetzen. Das ist großartig, beeindruckend und vieles mehr – aber sicherlich nicht unpolitisch.
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